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Sagen und Legenden aus Wadelheim

Aufgeschrieben von: August Hollweg

 

Die Pottwieske in Wadelheim

Es war in der Mitte des Dreißigjährigen Krieges, der auch Rheine und seine Bauerschaften böse heimgesucht hat. Wilde Kriegshorden zogen raubend und mordend durch das Land. 

Sie brannten Höfe, Städte und Dörfer nieder und stahlen den Bauern das letzte Stück Vieh aus dem Stall, das letzte Korn vom Boden und das letzte Stückchen Brot aus dem Schrank.

In dieser Zeit war es, als eines Abends der reiche Schulte von Wadelheim sein Gold- und Silbergeld in eine Truhe legte, die Truhe dreimal verschloss und sie in stockdunkler Nacht vergrub, um sein Geld vor den wilden Kriegsknechten zu verbergen. Keiner hatte es gesehen, selbst des Schulten Frau und sein ältester Sohn nicht. Am andern Morgen hat er nur den beiden leise in der Kammer erzählt, dass er das Geld gut verwahrt habe.

Nun war aber der Schulte von Wadelheim schon bei Jahren. Die bösen Zeiten hatten ihn dazu sehr mitgenommen, so dass nach menschlichem Ermessen die Stunde kommen konnte, in der er von diesem Leben Abschied nehmen musste und da er bis Dato niemanden gesagt hatte wo er das Geld vergraben hatte, bat ihn eines Abends sein Ältester, er möchte ihm doch für alle Fälle die Stelle nennen, an der er das viele Geld vergraben habe. Der alte Schulte gab dem Sohn die kurze Antwort: „Nee, Jüngesken, dat segg ick di nu noch nich. Ick liäwe noch lange. Wenn ick de Augen tomak, segg ick di fröh noog, wao du de Kiste met dat Geld finnen kanns." Damit musste sich der Sohn zufrieden geben; denn der alte Schulte war kein Mann von vielen Worten.

Mit dem Alten aber ging es schneller zu Ende, als er gedacht hatte.

Eine schwere Krankheit nahm ihm die Arbeit aus den schwieligen Händen, und eines Abends, als die ersten Frühlingsstürme über den Thieberg heulten, da war esdem Alten, als klopfe der Tod an die Tür.

„Junge", rief er seinen ältesten Sohn zu sich, „nu is't so late. Sett't mi in Beßvaders Stohl un driägt mi nao buten! Ick will ju wiesen, wao de Geldkiste ligg."

Es war die höchste Zeit; denn das Fieber schüttelte den alten Schulte und nahm ihm den Atem. Des Schulten Frau und die drei ältesten Söhne taten, wie der Bauer befohlen hatte. Sie hüllten den Alten vom Kopf bis zu den Füßen in wollene Kleider und Decken und trugen ihn aus dem Hause in die kalte Nacht hinaus. Der alte Schulte gab ihnen den Weg an: „ ... naot Backbus . . . wieder . . . ächtern Pütt . . ."

Da packte das Fieber den Kranken so heftig, dass die Söhne den Stuhl am Brunnen niedersetzen mussten. Der alte Schulte schob die Hand aus den Decken, zeigte den Thieberg hinauf und schrie etwas in das Heulen des Sturmes, aber Wind und Regen nahmen ihm die Worte vom Munde weg. Nur ein Wort verstand der Älteste „ . . . Pottwieske ... " Dann war es mit dem alten Schulte von Wadelheim aus.

Die Wiese am Schultenhof in Wadelheim hat heute wie damals den Namen „Pottwieske". Woher der Name kommt, weiß man nicht. Vielleicht hat man dort einmal Urnen (Pötte) gefunden. In der Pottwieske hat der älteste Schultensohn lange nach dem Schatz gegraben, die Truhe mit dem vielen Gelde aber hat er nicht gefunden. Dann hat er Eichen auf die Wiese gepflanzt. Die Eichen sind vor einigen Jahrzehnten gefällt worden, und die Pottwieske ist wieder eine Wiese wie vor 300 Jahren, nur die Baumstümpfe sieht man noch hier und da in dem saftigen Grün. Nach dem Schultensohn haben noch viele den Schatz gesucht, aber keiner hat die Truhe entdeckt. Sie muss heute noch an der Stelle liegen, an der sie der alte Schulte von Wadelheim vergraben hat. „Se mott wull deip liegen", sagen die alten Leute in Wadelheim, „süß was se lange funnen."

Alle hundert Jahre läuft in der Sterbenacht des Bauern eine kleine Flamme über die Pottwieske und bleibt am Rande der Wiese kurze Zeit stehen. An der Stelle wird die Truhe vergraben sein. Vor mehr als hundert Jahren hat einer das Licht auf der Wiese gesehen, als er aber näher zusehen wollte, war es schon wieder erloschen.

 


Die Randelbachquelle

Den Randelbach, der in vielen krausen und eigenwilligen Windungen der Ems zufließt und kurz vor der dritten Schleuse mündet, kennen sicherlich viele, wenigstens dem Namen nach, seine Quelle aber wird nur wenigen bekannt sein. Sie liegt in Wadelheim hinter den Höfen Schulte-Osthoff und Stockmann auf einer sumpfigen Wiese des Bauern Brüning gt. Wolter. Die Randelbachquelle ist sehens- und erwähnenswert. Sie sprudelt zu aller Zeit schon seit Jahrhunderten in unverminderter Stärke. Wie die alten Leute sagen, versiegt sie selbst in trockenen Sommern nicht. Ihr Wasser ist kristallklar und weich und hat im Winter und Sommer die gleiche Temperatur. So kommt es, dass die Randelbachquelle an kalten Wintertagen dampft. Die Quelldämpfe sind besonders stark in mondhellen Winternächten, und es ist nicht zu verwundern, dass sich aus dieser natürlichen, aber doch eigenartigen Erscheinung diese wunderbare Mär im Volke gebildet hat:
In den heiligen Nächten von Weihnachten bis Neujahr, wenn die Sterne vor Kälte funkeln und der Schnee unter den Füßen knirscht, geht der letzte Priester Wodans um, von dessen Heiligtum Wadelheim seinen Namen erhalten haben soll. Mit schneeweißem Bart und in langen weißen Gewändern schreitet er in heiliger Würde vom alten Schultenhof zum Randelbach, geht gesenkten Hauptes den klingenden Bach hinauf und zur Quelle, wo er Wodan opfert und dann in den Quelldämpfen versinkt. Junge Männer mit lauterem Herzen, blonden Haaren und blauen Augen können ihn zur Mitternachtsstunde vorübergehen sehen. Sie dürfen aber zu keinem Menschen davon sprechen, damit der heilige Zauber dieser Nächte nicht gestört wird.
Zu Zeiten unserer Großväter geschah es einmal, dass ein junger Bauer mit Namen Roß in einer kalten Winter Nacht von Landersum nach Wadelheim ging. Es war in der dritten Nacht nach dem Weihnachtsfest, und die Mitternachtsstunde war angebrochen. Der Bauer war jung, trug blondes Lockenhaar und schaute aus blauen Augen in die sternenhelle Nacht. Unheimliche, heilige Stille war ringsum. Der Nachtwind hing wie vor Kälte erstarrt unter der glasklaren Himmelsglocke, kein Hund schlug an, und nirgends klirrte ein Tier im Stall mit der Kette, nur der Schnee knarrte unter den Holzschuhen.

Es war dem jungen Bauern zu Mute, als dürfe er nicht weitergehen, um die Heiligkeit dieser Nacht nicht zu stören. Er schaute zurück, schaute zu seiner Rechten und Linken, zu den Sternen und seinen Weg geradeaus. Da sah er ein hell loderndes Feuer auf dem alten Schultenhof. Vor dem Feuer aber stand ein hoher Greis mit schneeweißem Bart und langen weißen Gewändern, in deren schneeiger Reinheit sich die leuchtende Röte der Flammen spiegelte. Und der Bauer sah und hörte den Greis, den letzten Priester Wodans, reden. In weitem Ring um das Feuer aber sah er große und gewaltige Krieger, alte Sachsen, die sich auf ihre Schwerter und Spieße stützten und sinnend in das Feuer und auf den Priester schauten. Einer der Recken trat aus dem Ring an das Feuer und hob die rechte Hand in die Flammen. Der Zweite und Dritte und alle schritten ihm nach. Dann fielen die Flammen in sich zusammen, und grauer Rauch stieg aus der roten Glut. Aus dem Rauch aber schritt ein langer Zug, voraus der ehrwürdige Greis, zum Randelbach. Wie ein silbernes Lied sprudelten die leichten, blanken Wellen über Sand und Stein. Alle Wässerlein waren gefroren, nur der Randelbach nicht, weil sein Wasser tief aus dem warmen Schoß der Mutter Erde kommt, und der Zug der Sachsenkrieger ging den Bach hinauf bis zu seiner Quelle. Sie zogen ihre Schwerter und tauchten Spieß und Schwert tief in ihr Wasser, dass es im Sternenlicht wie Silber von den breiten Schneiden tropfte. Aus der Quelle aber stiegen graue Dämpfe, die Wodans letzten Priester und seine Sachsenkrieger umhüllten, dass sie dem Auge entschwanden. Der junge Bauer hat lange geschwiegen, als er aber zum Sterben kam, da hat er seinen Kindern diese Winternacht erzählt.

Aufgeschrieben von: August Hollweg

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